Nachdem die Corona-Krise zumindest dem deutschen Solarmarkt nicht besonders viel anhaben konnte, scheinen nun auch die letzten Hürden niedergerissen zu sein, die einem dringend benötigten Photovoltaikboom im Wege stehen. Am 18. Juni in den Abendstunden war es endlich soweit - der deutsche Bundestag beschloss die Streichung des 52-Gigawatt-Deckels für die Photovoltaik aus dem EEG. Zwar fehlte noch die gleichlautende Bundesratsentscheidung, doch die ist in der Regel reine Formsache. Dennoch reagierte die Branche noch verhalten auf die guten Neuigkeiten. Bei Herstellern und Händlern liefen die Telefone noch nicht heiß. Es ist aber ein deutliches Anziehen der Binnennachfrage in den kommenden Wochen zu erwarten.
Gerade EPC und Installateure kleiner bis mittlerer Größe schieben eine teilweise beachtliche Projektpipeline vor sich her. Gebremst werden kann der Boom aktuell nur durch die Corona-bedingt noch immer nicht mit voller Kapazität arbeitenden Genehmigungsbehörden und eine anhaltende Degression der Einspeisevergütung, die rein EEG-finanzierte Anlagen zunehmend unwirtschaftlich macht. Bei dem momentanen Zubautempo reden wir über 1,4 Prozent Reduktion pro Monat. So wächst der Preisdruck bei Material, Planungs- und Montageleistung recht schnell.
Glücklicherweise sind in den letzten Wochen einige, teilweise bemerkenswerte Preiskorrekturen seitens der Modul-, aber auch seitens der Wechselrichterhersteller zu verzeichnen. Preissenkungen, die sich im Mai schon abzeichneten, kommen im Juni nun endgültig im Markt an, zumindest für aktuelle Bestellungen mit späterem Liefertermin. Und hier haben wir auch schon den Knackpunkt. Wer für kurzfristig verfügbare Module schon Preise erwartet, wie sie ihm für das vierte Quartal angeboten werden, dürfte herb enttäuscht sein. Es gibt momentan zwar keinen Engpass - Produkte aller Technologiesparten und zahlreicher Marken sind ausreichend vorhanden, allein der Produktionszeitpunkt liegt oft bereits sehr weit zurück. Die Module haben in den letzten Monaten sehr viel länger für den Weg von Asien nach Europa gebraucht, als sonst üblich - das Corona-Virus lässt grüßen. Im Frühjahr lagen die Rohstoffpreise aber noch deutlich höher und das Runter- und Hochfahren von Produktionen war mit erheblichen Mehrkosten verbunden. So ist das Preissenkungspotenzial für diese, heute kurzfristig verfügbare Ware sehr eingeschränkt.
Nachdem die Virusprobleme nun zumindest vorläufig gelöst sind, gehen bei allen Technologien, insbesondere bei den monokristallinen Modulen (High Efficiency, All Black und Bifacial), die Preise runter. Rein optisch liegt der Indexpreis für High Efficiency-Module zwar nur 3 Prozent unter dem Vormonatspreis, dies ist allerdings einer notwendigen Änderung der Klassenbreite geschuldet - sie beginnt jetzt bei 310 Watt, nicht mehr bei 300 Watt. Ansonsten liegen alle Preiskorrekturen im Bereich von 4 bis 6 Prozent. Die Korrektur der Bezugsgrößen wurde auch nötig, da immer mehr Modulformate in den Markt eingeführt werden, bei denen die Leistung pro Modul zwar gesteigert werden konnte, aufgrund der größeren Modulfläche aber der Wirkungsgrad in etwa gleich geblieben ist. Vermeintliche Preissenkungen beim Watt-Peak-Preis sind also eher kosmetischer Art (vergleiche auch mit dem Mai-Marktkommentar: "Nur die Größe zählt?").
Der erneute Preissturz wird Insbesondere von den - nach gemeldeter Produktionskapazität gemessenen - Top-6-Herstellern der Branche angeführt. Trina Solar, Hanwha Q-Cells, Canadian Solar, JA Solar, Jinko Solar und vor allem LONGi Solar erhöhen laufend die Produktionskapazität und die Modulgröße und drängen mit attraktiven Preisen auf den Markt, die bis vor Kurzem noch keiner für machbar gehalten hat. Ob viele kleinere Hersteller diesem Preiskampf widerstehen können, ist äußerst fraglich. Wir werden möglicherweise noch im zweiten Halbjahr den Beginn einer Marktbereinigung, insbesondere unter asiatischen Produzenten erleben.
Hanwha Q-Cells hofft dabei immer noch, im Patentstreit um Zellen mit rückseitiger Emitterpassivierung das Oberwasser über einige seiner Konkurrenten zu gewinnen, auch wenn man in den USA in erster Instanz bereits verloren hat. Nun konnte aber vor einem deutschen Gericht ein Zwischenerfolg gefeiert werden. Ob dieser Etappensieg überhaupt Auswirkungen auf den Markt beziehungsweise die Produkte der beklagten Konkurrenten LONGi Solar, Jinko Solar und REC Solar im Markt hat, ist noch nicht sicher. Jinko Solar zumindest behauptete in einer postwendend veröffentlichten Pressemitteilung, durch die Patentklage betroffene Zellen und Module würden gar nicht mehr hergestellt und verkauft werden. Von den anderen Beklagten lag zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Textes noch kein Statement vor.
Welche Erwartungen kann man an die zweite Jahreshälfte 2020 stellen?
Alle Voraussetzungen für eine sehr gute Marktentwicklung sind da - hohe Nachfrage, gute Verfügbarkeit bei attraktiven Preisen, stabile Rahmenbedingungen. Bis zuletzt musste die deutsche Solarbranche jedoch zittern und bangen, ob die Bundesregierung noch rechtzeitig vor Erreichen des 52-Gigawatt-Deckels handelt und das umsetzt, was vor vielen Monaten längst angekündigt worden war. Immerhin beginnt auch bald die Sommerpause der Regierung und des Parlaments. Nun, der entscheidende Schritt ist zwar getan, aber das dicke Ende kommt vielleicht noch. Für den Herbst ist eine erneute EEG-Novelle fest angekündigt. Welche "Schweinereien" unseren Politikern bis dahin noch einfallen, um uns Solaraktiven das Leben unnötig schwer zu machen, bleibt abzuwarten. Wir mussten nun schon so oft Achterbahn fahren, haben uns nun schon so oft in schwerer See behaupten müssen, dass der Glaube an ruhiges Fahrwasser beinahe schon versiegt ist. Bitte überrasche uns, liebe GroKo!
Übersicht der nach Technologie unterschiedenen Preispunkte im Juni 2020 inklusive der Veränderungen zum Vormonat (Stand 22.06.2020):